© Landeshauptstadt Potsdam / Dieter Chill

„Unvergessener Thälmann“1, lautete 1972 die Überschrift eines Nachrufs auf den Schauspieler Günther Simon (1925–1972). Hier und in weiteren Nachrufen war zu lesen, dass er einem Millionenpublikum als Ernst Thälmann im Gedächtnis bleiben würde.2 Damit brachten die Verfasser*innen auf den Punkt, was Simon zwei Jahrzehnte lang vergeblich aufzulösen versuchte: die primäre Assoziation seiner Person

mit der Darstellung des von den Nationalsozialisten ermordeten Kommunisten in dem DEFA-Zweiteiler Ernst Thälmann (1954/1955, Regie: Kurt Maetzig). Simon begeisterte auf der Premiere die SED-Führung,3 weil er aus deren Sicht alles richtig gemacht hatte. Nicht zuletzt aufgrund seiner schauspielerischen Interpretation folgt der Film dem sozialistischen Realismus – und damit jener Richtschnur, die auf der ersten Filmkonferenz der SED (1952) ausgegebenen worden war.4 Simon gibt das Paradebeispiel des positiven Helden, „der,

die Faust vorgesteckt und den Blick prophetisch in die Zukunft gerichtet, unfehlbar richtige Entscheidungen zu treffen weiß“5. Das Vorzeigeprojekt brachte ihm mehrere nationale und internationale Preise sowie Rollen in mehr als 60 Film- und Fernsehproduktionen ein,6 zugleich aber die Festlegung auf klassenkämpferische Arbeiterhelden.7 Dem sozialistischen Vorzeige-Star waren subversive oder kontroverse Interpretationen seiner Rollen kaum gestattet.8 Trotzdem versuchte er immer wieder dem engen Rollenschema zu entkommen.9 Ausgerechnet Sonnensucher (Regie: Konrad Wolf), in dem Simon kurz nach dem Thälmann-Erfolg eine seiner differenziertesten Figuren zu gestalten vermochte, wurde verboten und kam erst 1972 statt wie geplant 1958 in die Kinos – drei Monate nach seinem Tod. Vielleicht wäre es Günther Simon gelungen, eine vielseitigere Karriere hinzulegen, hätte der Film vor der folgenreichen Herausbildung seines Thälmann-Image Premiere feiern dürfen.

Starporträt des Schauspielers Günther Simon,

das zur Herstellung von Autogrammkarten genutzt wurde. 

© DEFA-Stiftung / Karin Blasig

1 ch: Unvergessener „Thälmann“. Zum Tode des Schauspielers Günther Simon, in: Neue Zeit, 28.6.1972,
http://zefys.staatsbibliothek-berlin.de/ddr-presse/ergebnisanzeige/?purl=SNP2612273X-19720628-0-7-63-0.

2 Vgl. anonym: Günther Simon gestorben, in: Neues Deutschland, 26.6.1972, http://zefys.staatsbibliothek-berlin.de/ddr-presse/ergebnisanzeige/?purl=SNP2532889X-19720626-0-2-168-0 und anonym: Genosse Günther Simon. Nachruf des Zentralkomitees, in:
Neues Deutschland, 27.6.1972, http://zefys.staatsbibliothek-berlin.de/ddr-presse/ergebnisanzeige/?purl=SNP2532889X-19720627-0-2-130-0.

3 Vgl. anonym: Dank allen Künstlern und Mitarbeitern. Vom Empfang beim Präsidenten, in: Neues Deutschland, 11.3.1954,  
http://zefys.staatsbibliothek-berlin.de/ddr-presse/ergebnisanzeige/?purl=SNP2532889X-19540311-0-2-15-0 und anonym:
Festlicher Empfang der Regierung. Hohe Gäste im Hause der Ministerien, in: Neues Deutschland, 8.10.1955,
http://zefys.staatsbibliothek-berlin.de/index.php?purl=SNP2532889X-19551008-0-2-7-0.

4 Vgl. Ulrich Gregor, Enno Patalas: Geschichte des Films, München 1973, 400 und Politbüro des Zentralkomitees der SED:
Der Film ist die wichtigste aller Kunstarten, in: Berliner Zeitung, 29.7.1952,
http://zefys.staatsbibliothek-berlin.de/ddr-presse/ergebnisanzeige/?purl=SNP26120215-19520729-0-4-51-0.

5 Gregor u. a.: Geschichte des Films, 401.

6 Vgl. anonym: Günther Simon, in: filmportal.de, https://www.filmportal.de/person/guenther-simon_d99eb1e26c26431398694a6e2a1352ba.

7 Vgl. Ines Walk: Günther Simon, in: DEFA-Stiftung, https://www.defa-stiftung.de/defa/kuenstlerin/guenther-simon/.

8 Vgl. Sebastian Heiduschke: East German Cinema. DEFA and Film History, New York 2013, 29.

9 Vgl. Walk: Günther Simon.

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