© Landeshauptstadt Potsdam / Dieter Chill

Heiner Carow (1929–1997) geriet immer wieder ins Stocken. Seine Regiearbeit für die DEFA war von jahrelangen – keineswegs selbstverschuldeten – Drehpausen geprägt. In diesen Zeiten wurden zwar Stoffe entwickelt und neue Projekte geplant, aber

der Schwung der ersten zehn Spielfilmjahre war spätestens mit Die Russen kommen (1968) vorbei. Nicht nur, dass dieser Film wegen vermeintlicher „Psychologisierung des Faschismus“1 verboten wurde, sogar befreundete Kolleg*innen gingen zu Carow auf Distanz: „Keiner stimmte für den Film, alle dagegen.“2 Dies war für einen Regisseur, der seine Filme stets selbstkritisch betrachtete3 und vor Die Russen kommen eine konsequente „Abkehr vom [...] Funktionalismus

und einer vordergründig soziologischen Dramaturgie“4 vollzogen hatte, kaum auszuhalten.5 Es dauerte erneut Jahre, bis es weiterging. Dazwischen lagen unter anderem Die neuen Leiden des jungen W., ein Stoff, der die Konflikte der Jüngeren in den Blick nehmen wollte. Aber die DEFA lehnte das Szenarium ab – ein ungedrehter Film.6 

Dann allerdings kam Die Legende von Paul und Paula (1973). Das „Glücksverlangen“7 der Heldin und des Helden dürfte auch für Heiner Carow gegolten haben: „alles oder nichts, respektlos und vom Ideal der Liebe ausgefüllt“8. Dem Regisseur gelang im Machtvakuum der SED zwischen Ulbricht und Honecker9 eine Punktlandung: drei Millionen Zuschauer*innen. Trotz dieses Erfolgs ging es für ihn nicht ohne Eingriffe in seine Arbeit und nicht ohne abgelehnte Drehbücher weiter.10 „Nur über meine Leiche“ – mit diesen Worten wollte der DEFA-Generaldirektor die Dreharbeiten zu Coming Out verhindern.11 Doch Heiner Carow setzte sich durch und inmitten der AIDS-Krise erneut ein Zeichen für Liebe. Am Premierenabend des ersten DDR-Films über Homosexualität am 9. November 1989 fiel die Mauer:12 Der Film, der für gesellschaftlichen Aufbruch eintrat, ging in ebendiesem auf.13

Der Regisseur Heiner Carow bei den Dreharbeiten zu Die Legende von Paul
und Paula
(1973).

© DEFA-Stiftung / Manfred Damm, Herbert Kroiss

1 Heinz Kersten zit. n. Christel Drawer (Hg.): So viele Träume. DEFA-Film-Kritiken aus drei Jahrzenten von Heinz Kersten, Berlin 1996, 294.

2 Heiner Carow in: Ingrid Poss, Peter Warnecke (Hg.): Spur der Filme. Zeitzeugen über die DEFA, Berlin 2006, 239.

3 Vgl. Hermann Herlinghaus: Heiner Carow, in: Rolf Richter (Hg.): DEFA-Spielfilm-Regisseure und ihre Kritiker (Bd. 2), Berlin 1983, 52–76,
hier 56.

4 Ebd., 55.

5 Vgl. Heiner Carow in: Ingrid Poss u. a. (Hg.): Spur der Filme, 239–240.

6 Vgl. Hermann Herlinghaus: Heiner Carow, 57.

7 Ebd., 59.

8 Ebd.

9 Vgl. Ulrich Plenzdorf in: Poss u. a. (Hg.): Spur der Filme, 283.

10 Vgl. Erika Richter in: ebd., 425.

11 Guido Berg: Schwulsein in der DDR, in: Potsdamer Neueste Nachrichten, 7.6.2011,
https://www.pnn.de/potsdam/schwulsein-in-der-ddr/21954268.html. Vgl. auch Heiner Carow in: Poss u. a. (Hg.): Spur der Filme, 453–454.

12 Vgl. Heiner Carow in: Poss u. a. (Hg.): Spur der Filme, 455–456.

13 Vgl. Berg: Schwulsein in der DDR.

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