© Landeshauptstadt Potsdam / Dieter Chill

Als er Anfang 1897 eine Genehmigung zum Filmen kaiserlicher Feierlichkeiten bekommen wollte, wurde Oskar Meßter (1866–1943) „von Pontius zu Pilatus geschickt“, denn das gab es für die Kameras der Zeitungsfotografen, nicht aber für Meßters „Höllenmaschine“, wie er seine Kamera bezeichnet hatte.1 Einige Monate zuvor, am 15. Juni 1896, verkaufte der gelernte Optiker seinen ersten Kinoprojektor

an einen russischen Schausteller – dieses Datum gilt als der Beginn der deutschen Filmindustrie.2 Im gleichen Jahr eröffnete der „unzweifelhaft [...] wichtigste deutsche Filmpionier“3 in der Berliner Friedrichstraße ein Kunstlichtatelier4 und gründete eine Filmproduktionsgesellschaft.5 Seine Konkurrenz erkannte schnell die Vorzüge eines Ateliers – die Unabhängigkeit von Witterungseinflüssen und die Manipulation des Lichts – und zog nach.6 Der ersten Produktionsgesellschaft Meßters folgten weitere, eine Trennung der kinotechnischen von der Filmproduktion 1913 inbegriffen, bis seine Firmen 1917 in der Ufa aufgingen, zu deren Mitbegründern er zählt.7 Zwischen 1896 und 1921 produzierte er über 950 Filme,8 viele davon kurze Streifen der Frühzeit des Kinos, und formte einige Stars wie etwa Henny Porten.9 Der Erfindergeist Oskar Meßters war immens. Neben seinen über 100 Patenten,10 darunter z. B. das Aufnehmen von einem fahrenden Zug,11 entwickelte der „eifrige[...] Experimentator“ die Großaufnahme, den Zeitraffer,12 den kolorierten (d. h. per Hand oder mit Schablonen eingefärbten) Film13 und insbesondere die sogenannten Tonbilder, bei denen er den Projektor mit einem Grammofon synchronisierte.14 Selbst wenn die Tonbilder, die auch in Babelsberg produziert wurden, letztlich nur eine Episode zwischen 1903 und 1913 blieben15 – die dokumentarischen Straßenszenen vor dem Brandenburger Tor in seiner ersten Aufnahme bilden den Ursprung des Dokumentarfilms.16 Und wer heute eine Wochenschau ansieht: Auch das ist Meßters Erfindung.17

Der Filmpionier und Produzent Oskar Meßter. 

© Deutsche Kinemathek

1 Siehe Wolfgang Jacobsen: Frühgeschichte des deutschen Films. Licht am Ende des Tunnels, in: Wolfgang Jacobsen, Anton Kaes,
Hans Helmut Prinzler (Hg.): Geschichte des deutschen Films, Stuttgart 1993, 13–37, hier 22.

2 Vgl. anonym: Oskar Messter, in: filmportal.de, https://www.filmportal.de/person/oskar-messter_95edc384ff074aaf99cd1502202a1591.

3 Corinna Müller: Frühe deutsche Kinematographie. Formale, wirtschaftliche und kulturelle Entwicklungen 1907–1912, Stuttgart 1994, 8.

4 Vgl. Jacobsen: Frühgeschichte des deutschen Films, 24.

5 Vgl. Liz-Anne Bawden, Wolfram Tichy (Hg.): rororo Filmlexikon. Regisseure, Schauspieler, Kameraleute, Produzenten, Autoren
(Bd. 5, Personen H–Q), Reinbek bei Hamburg 1978, 1199.

6 Vgl. Jacobsen: Frühgeschichte des deutschen Films, 26.

7 Vgl. ebd., 24 und Bawden u. a. (Hg.): rororo Filmlexikon (Bd. 5), 1200.

8 Siehe Filmografie in anonym: Oskar Messter, in: filmportal.de,
https://www.filmportal.de/person/oskar-messter_95edc384ff074aaf99cd1502202a1591.

9 Vgl. Heinrich Fraenkel: Unsterblicher Film. Die große Chronik. Von der Laterna Magica bis zum Tonfilm, München 1956, 68 und 81.

10 Vgl. Eberhard Spiess: Messter, Oskar, in: Deutsche Biographie, https://www.deutsche-biographie.de/pnd118783491.html#ndbcontent.

11 Vgl. Jacobsen: Frühgeschichte des deutschen Films, 24.

12 Bawden u. a. (Hg.): rororo Filmlexikon (Bd. 5), 1200.

13 Vgl. Jacobsen: Frühgeschichte des deutschen Films, 24.

14 Vgl. ebd., 19.

15 Vgl. ebd., 20 und Albert Narath: Oskar Messter and His Work, in: Raymond Fielding (Hg.): A Technological History of Motion Pictures
and Television
, Berkeley, California 1979, 109–117, hier 115.

16 Vgl. Klaus Kreimeier: Dokumentarfilm, 1892–1992, in: Jacobsen u. a. (Hg.): Geschichte des deutschen Films, 391–416, hier 393.

17 Vgl. Bawden u. a. (Hg.): rororo Filmlexikon (Bd. 5), 1200.

Zum Seitenanfang

Diese Website verwendet Cookies.
Bitte lesen Sie unsere Datenschutzerklärung für Details.

OK