© Landeshauptstadt Potsdam / Dieter Chill

Als 1919 Anders als die Andern in die Kinos kam, war der Skandal vorprogrammiert. Conrad Veidt (1893– 1943) spielte darin einen homosexuellen Violinisten, der nach Paragraf 175 verurteilt wird und Suizid begeht. Der Aufklärungsfilm von Richard Oswald behandelte

– inmitten einer nur anderthalb Jahre dauernden Abwesenheit von Filmzensur – erstmals das Thema Homosexualität und setzte sich energisch für die Rechte von Homosexuellen ein.1 Während Oswald einen Kassenerfolg einfuhr und Veidt mit Fanpost überschüttet wurde, störten Rechtsextreme die Vorführungen mit Stinkbomben oder gar lebenden Mäusen.2 Ein Pastor befand, „der dreiste Anspruch“ auf Gleichberechtigung „dieser krankhaft entarteten Menschen“ müsse „mit allen Mitteln“ abgewehrt werden.3 Das Kontroverse sollte das zentrale Charakteristikum von Veidts Wirken werden. Die Figuren, die er zwischen 1916 und 1943 in über 110 Filmen verkörperte, waren oft Schurken, exzentrisch und polarisierend, geheimnisvoll und bizarr,4 weshalb er als „Dämon der Leinwand“ bezeichnet wird.5 Veidt war ein entschiedener Gegner des Nationalsozialismus. Mit seiner jüdischen Frau emigrierte er über Großbritannien in die USA. Sein erster im britischen Exil produzierter Film Jew Süss (1934, Regie: Lothar Mendes) ist „ein politisches Statement“6, das im Gegensatz zum antisemitischen Hass- und Hetzfilm Jud Süß (1940, Regie: Veit Harlan) „kein rassistisch verzerrtes Bild des Joseph Süß Oppenheimer zeichnete“7. Conrad Veidt kämpfte sein Leben lang gegen Bigotterie und Intoleranz.8 Die 1990 in Kalifornien gegründete Conrad Veidt Society kümmert sich um sein „humanitäres Vermächtnis, allen Menschen – gleich welcher Nationalität, Hautfarbe oder Religion – vorbehaltlos mit Respekt zu begegnen“9.

Der Schauspieler Conrad Veidt in 

Die Brüder Schellenberg (1926, Regie: Karl Grune). 

© Deutsche Kinemathek

1 Vgl. Helga Belach, Wolfgang Jacobsen: Anders als die Andern (1919). Dokumente zu einer Kontroverse, in: CineGraph,
http://www.cinegraph.de/cgbuch/b2/b2_03.html.

2 Vgl. Pat Wilks Battle: Biography, in: John T. Soister: Conrad Veidt on Screen. A Comprehensive Illustrated Filmography, Jefferson,
North Carolina 2002, 7–25, hier 11.

3 Pastor Martin Cornils: Ruf nach Zensur, in: Kieler Nachrichten, 7.9.1919, http://www.cinegraph.de/cgbuch/b2/b2_03.html.

4 Vgl. anonym: Conrad Veidt, in: filmportal.de, https://www.filmportal.de/person/conrad-veidt_b591556003274a50a97caba1e0536c30.

5 Beispielsweise im Titel einer aktuellen Biografie von Sabine Schwientek: Dämon der Leinwand. Conrad Veidt und der deutsche Film 1894–1945, Marburg 2019.

6 Wolfgang Jacobsen: Veidt, Hans Walter Conrad, in: Deutsche Biographie, https://www.deutsche-biographie.de/sfz135939.html#ndbcontent.

7 Anonym: Conrad Veidt, in: filmportal.de, https://www.filmportal.de/person/conrad-veidt_b591556003274a50a97caba1e0536c30.

8 Vgl. Battle: Biography, 8.

9 R. Peter Stens: Conrad Veidt Society, in: Conrad Veidt Society, http://www.conrad-veidt-society.de/index.html.

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