© Landeshauptstadt Potsdam / Dieter Chill
Als amerikanische Soldaten 1945 die Villa von Emil Jannings (1884–1950) am Wolfgangsee stürmten, „trauten sie ihren Augen nicht“1: Sie fanden einen Oscar – und zwar nicht irgendeinen, sondern den ersten Schauspiel-Oscar überhaupt, den Jannings 1929 für The Way of All Flesh (1927, Regie: Victor Fleming) und The Last Command (1928, Regie: Josef von Sternberg) erhielt.2 Bis heute ist er der einzige Deutsche, der als bester Hauptdarsteller ausgezeichnet wurde.3
Infolge einer fulminanten Ufa-Karriere, in der er „dekadente Herrscherpersönlichkeiten“4 spielte und Bekanntheit beim amerikanischen Publikum erlangte,5 kam er 1926 nach Hollywood,
wo man ihn als „German Film Genius“6 feierte. Jannings war „einer der gewichtigsten Exportartikel des deutschen Films“7. Die Einführung des Tonfilms zwang ihn jedoch dazu, wegen seiner unzureichenden Englischkenntnisse nach Deutschland zurückzukehren8 – noch vor
der offiziellen Oscar-Zeremonie.9 In Babelsberg entstand sodann der Tonfilm Der blaue Engel (1930, Regie: Josef von Sternberg) mit Marlene Dietrich, die ihn „an die Wand [spielte]“ und „dorthin [ging], woher er kam“10. Daraufhin stagnierte seine Karriere, bis er nach 1933 zu einem der größten Stars des nationalsozialistischen Kinos aufstieg.11 Emil Jannings kümmerte sich nicht um Politisches, sondern um sein Vermögen, das er mithilfe seines Verehrers Joseph Goebbels durch
NS-Propagandafilme mehren konnte.12 1940 machten ihn die Nazis sogar zum Ufa-Chef.13 Nach dem Krieg versuchte er vergeblich, gegen das lebenslange Berufsverbot anzukämpfen, das die Alliierten ihm auferlegten.14 Rasanter Aufstieg und tiefer Fall: Was Jannings auf der Leinwand verkörperte, galt für ihn auch persönlich. In Carl Zuckmayers Geheimreport über in Deutschland verbliebene Künstler*innen und Intellektuelle – 1943/44 auf Wunsch des amerikanischen Geheimdienstes verfasst – ist er der Kategorie „Sonderfälle,
teils positiv, teils negativ“ zugeordnet.15
Der Schauspieler Emil Jannings
in einer seiner ersten Rollen in Frau Eva (1916, Regie: Robert Wiene).
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1 Sarah Levy: Gierhals, Scheusal, Genie. Filmstar Emil Jannings, in: Spiegel Online, 17.10.2012,
https://www.spiegel.de/geschichte/erster-oscar-gewinner-emil-jannings-a-947762.html.
2 Vgl. Friedemann Beyer: Die Gesichter der UFA. Starportraits einer Epoche, München 1992, 208.
3 Vgl. Levy: Gierhals, Scheusal, Genie.
4 Beyer: Die Gesichter der UFA, 208.
5 Vgl. Liz-Anne Bawden, Wolfram Tichy (Hg.): rororo Filmlexikon. Regisseure, Schauspieler, Kameraleute, Produzenten, Autoren
(Bd. 5, Personen H–Q), Reinbek bei Hamburg 1978, 1081.
6 Mordaunt Hall: Mr. Jannings’s Latest; German Film Genius Inspires All Those Working With Him, in: New York Times, 3.7.1927,
https://www.nytimes.com/1927/07/03/archives/mr-janningss-latest-german-film-genius-inspires-all-those-working.html.
7 Heinrich Fraenkel: Unsterblicher Film. Die große Chronik. Von der Laterna Magica bis zum Tonfilm, München 1956, 102.
8 Beyer: Die Gesichter der UFA, 208.
9 Die Gewinner*innen wurden drei Monate zuvor bekannt gegeben, und Jannings erhielt seine Trophäe wegen der Rückreise nach Deutschland schon vor der Verleihung; siehe Gerd Gemünden: Emil Jannings. Translating the Star, in: Patrice Petro (Hg.): Idols of Modernity. Movie Stars of the 1920, New Brunswick, New Jersey 2010, 182–201, hier 182–183.
10 Filmmuseum Potsdam: Traumfabrik – 100 Jahre Film in Babelsberg (ständige Ausstellung), Potsdam 2020.
11 Vgl. Beyer: Die Gesichter der UFA, 210.
12 Vgl. Levy: Gierhals, Scheusal, Genie. Jannings’ Einstellung zu Geld ist beschrieben in Fraenkel: Unsterblicher Film, 103.
13 Vgl. Bawden u. a. (Hg.): rororo Filmlexikon (Bd. 5), 1083.
14 Vgl. Levy: Gierhals, Scheusal, Genie.
15 Siehe Carl Zuckmayer: Geheimreport, Göttingen 2002, 16 und 136–145.
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