© Landeshauptstadt Potsdam / Dieter Chill

Marlene Dietrich (1901–1992) war eine lebende Legende. Ihren Durchbruch erlebte sie als Lola Lola in Der blaue Engel (1930) – eine fesche Varieté-Künstlerin, die in aufreizenden Kostümen ihr Publikum besingt, darunter ein Gymnasialprofessor (Emil Jannings), den sie verführt und ins Verderben stürzt. Noch am Premierenabend des in Babelsberg gedrehten Films folgte sie dem Regisseur Josef von Sternberg, ihrem Entdecker, nach Hollywood, wo er sechs weitere Filme mit ihr drehte und ihren Weltruhm zementierte.1 In ihren Rollen wurde sie als „schön, pervers und anscheinend alle Arten erotischer Verführungskünste beherrschend“2 stilisiert. Ihre panerotische Ausstrahlung, maskuline Singstimme und selbstbestimmte Haltung machten sie zur Identifikationsfigur für Frauen wie Männer.3 Marlene Dietrich war eine erklärte Gegnerin des Nationalsozialismus. Ihre Abscheu den Nazis gegenüber äußerte sich unter anderem darin, dass sie sämtliche, sehr lukrative Angebote zur Rückkehr in den deutschen Film ausschlug, 1939 demonstrativ die amerikanische Staatsbürgerschaft annahm und ab 1943 bei einer Unterstützungstour für US-Soldaten auftrat – in Europa, möglichst nahe der Front.4 Danach machte sie nur noch gelegentlich Filme und gab ihrer Gesangskarriere den Vorzug.5 Als sie 1960 im Rahmen einer Europa-Tournee in die BRD kam, wurde sie nicht nur freundlich empfangen,6 sondern auch als Vaterlandsverräterin beschimpft.7 Selbst bei ihrer Beisetzung 32 Jahre später, als ihr Leichnam von ihrem letzten Wohnort Paris in ihre Heimatstadt Berlin gebracht wurde, gab es einige Proteste.8 Direkt nach ihrem Tod veröffentlichte ihre Tochter mit Meine Mutter Marlene9 eine bissige Biografie, welcher Alice Schwarzer „durchgehende[...] Beschränktheit und Gehässigkeit“10 attestierte. Der Mythos Marlene lebt aber ungebrochen fort. Und wer im Duden „Diva“ nachschlägt, erhält nur ein einziges Beispiel für diesen Begriff: „Marlene Dietrich, die große deutsche Diva“.

Die Schauspielerin und Sängerin Marlene Dietrich in Gefahren der Brautzeit aus dem Jahr 1929 (Regie: Fred Sauer). 

© VWdF

1 Vgl. Friedemann Beyer: Die Gesichter der UFA. Starportraits einer Epoche, München 1992, 42.

2 Liz-Anne Bawden, Wolfram Tichy (Hg.): rororo Filmlexikon. Regisseure, Schauspieler, Kameraleute, Produzenten, Autoren
(Bd. 4, Personen A–G), Reinbek bei Hamburg 1978, 924.

3 Vgl. Adolf Heinzlmeier, Berndt Schulz: Lexikon der deutschen Film- und TV-Stars, Berlin 2000, 74.

4 Vgl. anonym: Marlene Dietrich, in: filmportal.de, https://www.filmportal.de/person/marlene-dietrich_87af2a09f0fd423da68abf414959d912.


5 Vgl. Bawden u. a. (Hg.): rororo Filmlexikon (Bd. 4), 924.


6 Siehe z. B. Deutsche Reportagefilm GmbH: Deutschlandspiegel 68 vom 27.5.1960 (02:49–03:13),
in: Das Bundesarchiv, https://www.filmothek.bundesarchiv.de/video/589607.

7 Vgl. Andreas Conrad: Wie man den Nachlass von Marlene Dietrich online erforschen kann. 90 Jahre „Der Blaue Engel“,
in: Tagesspiegel Online, 1.4.2020,
https://www.tagesspiegel.de/berlin/90-jahre-der-blaue-engel-wie-man-den-nachlass-von-marlene-dietrich-online-erforschen-kann/25701448.html.

8 Vgl. Ute Scheub: Marlene, wir lieben dir! Die letzte Ehre für eine „Vaterlandsverräterin“, in: taz Berlin, 14.5.1992,
https://www.wiso-net.de/document/TAZ__9e1ef5baa86263153c7f87232f00f0395ba04ea4.

9 Maria Riva: Meine Mutter Marlene, München 1992.

10 Alice Schwarzer: Die Abrechnung einer Tochter, in: EMMA, 1.3.1993,
https://www.emma.de/artikel/marlene-dietrich-die-abrechnung-einer-tochter-263168.

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