© Landeshauptstadt Potsdam / Dieter Chill

Der zeitweise führende Regisseur der DEFA, Slatan Dudow (1903–1963),1 war ein Spezialist für Gegenwartsthemen und Sozialkritik.2 Nachdem er vor der Machtergreifung, die ihn ins Exil zwang, den ersten und letzten kommunistischen Film der Weimarer Republik inszeniert hatte (Kuhle Wampe oder: Wem gehört die Welt? von 1932),3 lieferte er 1949 – ein paar Jahre nach seiner Rückkehr nach Berlin und pünktlich zur Gründung der DDR – deren ersten sozialistischen Film ab (Unser täglich Brot).4 Seine Werke sind „Dokumente für den Aufbauwillen und den Optimismus“5 einer neuen Gesellschaft und spiegeln zumeist „die wahre Überzeugung der Filmschaffenden wider“6. In Frauenschicksale (1952), seinem erfolgreichsten DEFA-Film,7 verfallen mehrere Frauen dem West- Berliner Lebemann Conny, der sie ausnutzt und fallen lässt.8
Die narzisstische Bedürfnisbefriedigung wird hier mit westlicher Konsumkultur assoziiert und abgelehnt.9 Gleichzeitig entwickelt
der Film „nachvollziehbare Geschichten“ vor dem Hintergrund der „exponierten Nachkriegssituation, in der viele Frauen ohne Männer leben mußten“, und war deshalb beim zeitgenössischen Publikum äußerst beliebt.10 Die politische Klasse indes verdammte Frauenschicksale als untypisch – trotz zahlreicher Propagandaklischees.11 Das Kontroverse hatte durchaus Prinzip: Was auf SED-Linie war, langweilte die Menschen, was öffentlichen Zuspruch produzierte, machte die SED unzufrieden.12 Seit Kuhle Wampe, nämlich, war die freiheitlich orientierte Filmkultur der einstigen Arbeiterbewegung einer auf Machtausbau und Unterdrückung ausgerichteten Doktrin gewichen,13 zu deren Komplizen Dudow immer mehr wurde.14 Dass dies auf Kosten der Qualität geschah, begriff er 1961 selbst, als er schrieb: „Wir sind in der Filmkunst um Jahre zurück.“15

Der Regisseur Slatan Dudow bei den Dreharbeiten zu seinem Film Christine (1963).

© DEFA-Stiftung / Herbert Kroiss, Waltraut Pathenheimer

1 Vgl. anonym: Slatan Dudow, in: filmportal.de, https://www.filmportal.de/person/slatan-dudow_950f41d538f1472da50e4bb020827b82.

2 Vgl. Dagmar Schittly: Zwischen Regie und Regime. Die Filmpolitik der SED im Spiegel der DEFA-Produktionen, Berlin 2002, 59.

3 Vgl. Liz-Anne Bawden, Wolfram Tichy (Hg.): rororo Filmlexikon. Filmbeispiele, Genres, Länder, Institutionen, Technik, Theorie (Bd. 2, Filme K–S), Reinbek bei Hamburg 1978, 373 und Gal Kirn: Kuhle Wampe: Politics of Montage, De-montage of Politics?, in: Film-Philosophy, Bd. 11, Nr. 1, 2007, 33–48, hier 33.

4 Vgl. anonym: Slatan Dudow, in: filmportal.de, https://www.filmportal.de/person/slatan-dudow_950f41d538f1472da50e4bb020827b82 und Schittly: Zwischen Regie und Regime, 36 und 59.

5 Schittly: Zwischen Regie und Regime, 60.

6 Ebd.

7 Vgl. anonym: Slatan Dudow, in: filmportal.de, https://www.filmportal.de/person/slatan-dudow_950f41d538f1472da50e4bb020827b82.

8 Vgl. ebd.

9 Vgl. Elizabeth Mittman: Fashioning the Socialist Nation. The Gender of Consumption in Slatan Dudow’s Destinies of Women, in:
German Politics and Society, Bd. 23, Nr. 4, 2005, 28–44, hier 28.

10 Wolfgang Gersch: Film in der DDR. Die verlorene Alternative, in: Wolfgang Jacobsen, Anton Kaes, Hans Helmut Prinzler (Hg.):
Geschichte des deutschen Films, Stuttgart 1993, 323–364, hier 330.

11 Vgl. ebd. und Schittly: Zwischen Regie und Regime, 60.

12 Vgl. Schittly: Zwischen Regie und Regime, 97.

13 Vgl. Klaus Kreimeier: Dokumentarfilm, 1892–1992. Ein doppeltes Dilemma, in: Jacobsen u. a. (Hg.): Geschichte des deutschen Films, 391–416, hier 404.

14 Vgl. Wolfgang Gersch: Film in der DDR. Die verlorene Alternative, in: ebd., 323–364, hier 330 und Schittly: Zwischen Regie und Regime, 91.

15 Slatan Dudow: Die Filmkunst vor großen Entscheidungen. Ein Diskussionsbeitrag von Slatan Dudow, in: Neues Deutschland, 30.3.1961, http://zefys.staatsbibliothek-berlin.de/ddr-presse/ergebnisanzeige/?purl=SNP2532889X-19610330-0-4-45-0.

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